3VIEW – die drei Filmtipps der Woche
[ Trollhunter · Uncle Boonmee · Mind Game ]

Ich bin Rocco, 29, Cineast. In dieser Rubrik werde ich Filme empfehlen. Keinen Mist. Tolle Filme. Einzigartige Filme. Filme, für die es sich lohnt, Zeit und Geld zu investieren. Filme, die im Gedächtnis bleiben, die sich tief ins Herz eingraben. Filme, die herausfordern, die an die Grenzen gehen, Grenzen überschreiten. Ich wiederhole: keinen Mist. Zeit ist zu kostbar, um sie für Industrieabfall zu verschwenden. Die Auswahl werde ich knapp halten: Ein aktueller Kino-, ein frischer Heimkino- und ein zeitloser Geheimtipp pro Woche. Stets höchst subjektiv, oft aus dem Bauch heraus. Könnt ihr zustimmen, müsst ihr nicht. Lobt, tadelt, kommentiert und diskutiert. Ich freue mich auf euer Feedback und wünsche eine spannende Entdeckungsreise.

 


Kinotipp: Trollhunter

Originalitel / intl. Titel: Trolljegeren / The Troll Hunter
Land / Jahr / Länge: Norwegen / 2010 / 90 Minuten
Regie: André Øvredal
Darsteller: Otto Jespersen, Hans Morten Hansen, Tomas Alf Larsen, Johanna Mørck, Knut Nærum, Robert Stoltenberg, Glenn Erland Tosterud


In Norwegen gibt es Trolle. Riesige Trolle. Eine Behauptung, die dieser kleine, eher ruhige, unheimlich fantasievolle und sympathische Film zu beweisen versucht. Und in seiner Beweisführung ist er dermaßen detailverliebt, in seinen Effekten dermaßen glaubwürdig, dass man sich gerne mit einem breiten Grinsen auf diese Vorstellung einlässt. Ein junges Filmteam folgt mit der Handkamera dem vermeintlich einzigen Trolljäger Norwegens, der das erst gar nicht schön findet, aber dann die Chance wittert, durch die Crew auf seine missliche Berufslage aufmerksam machen zu können. Denn Trolle zu jagen ist alles andere als ein schönes Abenteuer und unterbezahlt ist der Job obendrein. So folgt das Team und somit der Zuschauer dem Jäger auf seinen nächtlichen Streifzügen, erfährt unter anderem, dass Trolle Christen erschnüffeln können und süchtig nach Autoreifen sind. Der Film ist voll von charmanten und stellenweise sehr komischen Details wie diesen und kreiert dadruch eine komplexe Alternativwelt, der man gern und gebannt bis zur letzten Minute folgt. Dass zu Beginn des Filmes noch durch Texttafeln erwähnt werden muss, dass das Material, was man gleich zu sehen bekommt, echt sei, mutet 12 Jahre nach dem Blair Witch Project eher lächerlich an, ist aber schon wenige Minuten später vergessen, wenn man mit staunenden Kinderaugen auf eine poetische Trolljagt geht, die sogar die Sicht auf unsere wirkliche Welt ein wenig verschiebt. Stromleitungen haben nämlich abgesehen von der selbstverständlichen noch eine andere – ziemlich wichtige – Funktion. Aber seht selbst. Ganz klar, mein Kinotipp der Woche und einer der außergewöhnlichsten Monsterfilme, die je gedreht wurden.

Trailer:

 


Heimkinotipp: Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben

Originaltitel / intl. Titel: Loong Boonmee aleuk chat / Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives
Land / Jahr / Länge: Thailand (Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien) / 2010 / 114 Minuten
Regie: Apichatpong Weerasethakul
Darsteller: Thanapat Saisaymar, Sakda Kaewbuadee, Jenjira Pongpas, Matthieu Ly, Vien Pimdee

Nicht nur der Titel ist ungewöhnlich und lang, auch der Name des Regisseurs ist ein wahrer Zungenbrecher und ich habe es bis heute nicht geschafft, ihn mir zu merken. Das sollte man aber, denn dieser Mann erschafft Kinowunder. Und Uncle Boonmee ist ein solches. Ein langsamer Rhytmus und eine extrem ruhige Dramaturgie können das westlich verzogene MTV-Auge erst einmal abschrecken. Lässt man sich aber auf diese völlig andere, von asiatischen Mythen durchflutete Filmwelt ein, kommt es einer Offenbahrung gleich. Boonmee leidet an Nierenversagen und weiß, dass er sehr bald sterben wird. Deshalb will er die letzten Tage auf seinem Landhaus verbringen, umringt von unendlichem Regenwald. Dort angekommen, trifft er auf den Geist seiner verstorben Frau, der sich weiter liebevoll um ihn kümmert, und auf seinen längst verschollen geglaubten Sohn, der als Waldgeist – eine Art Affenmensch mit rot leuchtenden Augen – zu diesem surrealen Treffen zurückkehrt. All das ist ohne jegliche Effekthascherei und mit einer Selbstverständlichkeit inszeniert, dass es einem die Sprache verschlägt. Die Familie begibt sich schließlich auf eine Odyssee durch den Wald zu einer für Boonmee ganz besonderen Höhle. Und auf dem Weg dahin taucht der Zuschauer noch mehrmals in die verschiedenen, teils märchenhaften früheren Leben der Hauptfigur ein. Eine einzigartige Reise für die Sinne, die sich, wenn man es zulässt, tief ins Unterbewusstsein einbrennt und die einen allein schon beim Gedanken an dieses Erlebnis sofort wieder verzaubert. Also, ab in die Videothek, Grenzen verschieben, Horizont erweitern, Sinne betören, Namen des Regisseurs auswendig lernen.

Trailer:

 


Geheimtipp: Mind Game

Land / Jahr / Länge: Japan / 2004 / 103 Minuten
Regie: Masaaki Yuasa
Stimmen: Koji Imada, Sayaka Maeda, Takashi Fujii, Seiko Takuma

Hier noch eine ganz besondere Empfehlung: Ein Film, den ich am liebsten all meinen Freunden zum Geburtstag, zu Ostern, zu Weihnachten oder einfach nur so schenken würde, wenn das nicht so verdammt teuer wäre. Mind Game ist für mich nicht nur einer der großartigsten Trickfilme der Welt, er kann sich auch locker mit 99% aller Realfilme messen. Der Held des Filmes heißt Nishi, ein junger Loser, der nach Jahren seine große Jugendliebe Myon zufällig in der U-Bahn wiedertrifft. Sofort schäumen die alten Gefühle hoch, Nishi folgt seiner Angebeteten zu ihrem Arbeitsplatz, einem Nudelgeschäft, und begibt sich blindlings in eine für ihn sehr unangenehme Lage (Anmerkung der Redaktion: Pistolenlauf im Hintern). Was folgt, ist ein aberwitziges und extrem gut gelauntes Mind-Fuck-Abenteuer, in dem Gott persönlich sich von seinen besten Seiten zeigen kann, das zum größten Teil im Bauch eines Wales spielt und das mit dem wohl intensivsten Finale der Animationsfilmgeschichte endet. Mind Game ist episch und intim, laut und leise, intelligent und flach, chaotisch und poetisch. Alles geht. Jederzeit. Auch im Stil: Wildeste Scherenschnittanimationen wechseln sich ab mit Fotocollagen, CGI-Sequenzen, Farbexplosionen und Realfilmmomenten. Ein einziger Rausch, der einem mit dem Gefühl entlässt, sofort die ganze Welt umarmen zu wollen. Eine animierte Liebeserklärung an das reale Leben. Muss man sehen. Also ab in die nächste gute Videothek, gleich beim Händler des Vertrauens bestellen oder direkt zum Geburtstag, zu Ostern oder Weihnachten wünschen. Bitte nur nicht von mir. Danke.

Trailer:

 


So, das ist es also, mein erstes 3VIEW. Ich hoffe sehr, euch in den kommenden Wochen immer Mittwochs an dieser Stelle das ein oder andere persönliche Filmhighlight in wenigen aber persönlichen Sätzen nahebringen zu können. Hier wird sich bestimmt noch einiges in Form und Stil tun, nach oben ist immer Luft. Ich freue mich auf die Zukunft, auf viele tolle Filme und auf eine stetig wachsende, aktive Leserschaft. Außerdem noch wichtig: Ich empfehle stets die Originalversion, sollte also die Synchronisation grottig sein (was sie fast immer in nicht wenigen Fällen ist), hat das nichts mit dem Film selbst zu tun und wird von mir mit bestem Gewissen ignoriert. Genrezuweisungen lasse ich auch unter den Tisch fallen, da dies für mich bezüglich eines sehenswerten Filmes auch absolut keine Rolle spielt. Bis nächsten Mittwoch, danke für die Aufmerksamkeit, euer 3VIEWer Rocco.

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