3VIEW – die drei Filmtipps der Woche
[ Geständnisse ∙ 127 Hours ∙ Rubber ]

Ich bin Rocco, 29, Cineast. In dieser Rubrik werde ich Filme empfehlen. Keinen Mist. Tolle Filme. Einzigartige Filme. Filme, für die es sich lohnt, Zeit und Geld zu investieren. Filme, die im Gedächtnis bleiben, die sich tief ins Herz eingraben. Filme, die herausfordern, die an die Grenzen gehen, Grenzen überschreiten. Ich wiederhole: keinen Mist. Zeit ist zu kostbar, um sie für Industrieabfall zu verschwenden. Die Auswahl werde ich knapp halten: Ein aktueller Kino-, ein frischer Heimkino- und ein zeitloser Geheimtipp pro 3VIEW. Stets höchst subjektiv, oft aus dem Bauch heraus. Könnt ihr zustimmen, müsst ihr nicht. Lobt, tadelt, kommentiert und diskutiert. Ich freue mich auf euer Feedback und wünsche eine spannende Entdeckungsreise.


Kinotipp: Geständnisse

Originaltitel / internationaler Titel: Kokuhaku / Confessions
Land / Jahr / Länge: Japan / 2010 / 106 Minuten
Regie: Tetsuya Nakashima
Darsteller: Takako Matsu, Yoshino Kimura, Masaki Okada, Yukito Nishii, Kaoru Fujiwara, Ai Hashimoto

Ein Klassenzimmer. Schüler trinken Milch. Die Klassenlehrerin erzählt den Schülern vom Milchtest, für den diese Klasse ausgesucht wurde. Doch die Schüler interessieren sich weder für den Test, noch für die Schule und am allerwenigsten für die Lehrerin. Es herrscht Unruhe und Chaos, es wird geplaudert, gelacht, gehänselt. Scheinbarer Alltag an dieser Schule. Doch die Lehrerin bleibt gelassen, offenbahrt ihren Schülern freundlich und beiläufig, dass dies ihr letzter Arbeitstag ist, dass ihre Tocher kürzlich einen gewaltsamen Tod fand, dass sie weiß, dass zwei Schüler aus dieser Klasse darin verwickelt sind und dass zwei der Milchpackungen, die die Schüler gerade getrunken haben, mit HIV versetzt wurden. Panik.

Grob zusammengefasst sind das die ersten Minuten eines der besten Filme, die ich jeh gesehen habe. Wie in Trance gleitet die Kamera meist in Zeitlupe durch wunderschöne, kühlblaue Bilder. Was anfangs wie ein unendlich intensives und grandios inszeniertes Intro wirkt, entpuppt sich schnell als Stil für den gesamten Film. Perspektiven wechseln und ruhige Stimmen werfen immer wieder ein neues Licht auf diese durchweg originelle, mutige und sehr komplexe Geschichte über Sinnsuche, Schuld und Verantwortung. Bis zur letzten Sekunde dieser filmischen Oper und noch weit darüber hinaus saß ich völlig gebannt da, absolut überwältigt von der Atmosphäre, mitgerissen von den Emotionen, geschockt von der Erbarmungslosigkeit. Wirklich ein für mich nahezu perfektes Erlebnis. Und ich bin sehr glücklich, dass Geständnisse bei uns in ausgewählten Kinos zu sehen ist. Danke dafür an Rapid Eye Movies (HIER klicken für den Spielplan). Wenn ihr in der Nähe wohnt, alles stehn und liegen lassen und hin. Wenn ihr nicht in der Nähe wohnt, Auto volltanken und hin. Ein Meilenstein durch und durch.

Trailer:


Heimkinotipp: 127 Hours

Land / Jahr / Länge: USA, Großbritannien / 2010 / 94 Minuten
Regie: Danny Boyle
Darsteller: James Franco, Kate Mara, Amber Tamblyn, Sean Bott, Koleman Stinger, Treat Williams

Inhaltsangabe: abenteuerlustiger Typ geht auf Trekking-Tour in die Wildnis, stürzt in eine Felsspalte, klemmt sich einen Arm unter einem Gesteinsbrocken ein, kämpft tagelang für seine Befreiung und schneidet sich schlussendlich den eigenen Arm ab, um zu überleben.

Wo sonst hiermit vielleicht der Film schon komplett gespoilert wäre, geht es bei 127 Hours (Amazon: DVD / Blu-ray) nicht um das Was, sondern einzig und allein um das Wie. Der Inhalt selbst ist bekannt, da all das tatsächlich so vor einigen Jahren passiert ist, mitsamt Aufarbeitung in Form eines Buches. Doch der Regisseur Danny Boyle ist ein Meister seines Faches und überwältigt uns mit einem inszenatorischen Rausch, den man an Filmhochschulen locker als Filmtechnikfibel einsetzen könnte. Schnitt und Kamera werden in ihren Möglichkeiten absolut ausgereizt, das Tempo ist durchweg hoch und Hauptdarsteller James Franco füllt die Leinwand mit einer derart mitreißenden und glaubwürdigen One-Man-Show, dass alles Erlebte auch für den Zuschauer fast schon physisch spürbar wird; in den schönen und vor allem auch weniger schönen Momenten. An einigen, sehr wenigen Stellen empfand ich den Film zwar schon stark an der Kitschgrenze nagend, aber ein derbes Finale macht dieses Meckern auf wirklich hohem Niveau völlig obsolet. Denn auch wenn man glaubt, schon alles gesehen zu haben, diese dreckige Pathologieszene brennt sich ins Langzeitgedächtnis. Ein großer Dank an Herrn Boyle für eine einmalige Filmlehrstunde. Augen, Ohren, Hirn und Herz – nichts bleibt unberührt. Und selbst der Magen bekommt seine Aufmerksamkeit. So geht Kino.

Trailer:


Geheimtipp: Rubber

Land / Jahr / Länge: Frankreich / 2010 / 82 Minuten
Regie: Quentin Dupieux
Darsteller: Robert, Stephen Spinella, Jack Plotnick, Wings Hauser, Roxane Mesquida, Ethan Cohn

Eines Tages erwacht Robert in der Wüste Californiens. Nach ersten Gehversuchen entdeckt er, dass er telekinetische Kräfte besitzt und damit Dinge und andere Lebewesen per Gedankenkraft zum Platzen bringen kann. So zieht er hinaus in die Welt, verliebt sich hoffnungslos und wird zudem nach einigem Ärger wegen seiner besonderen Macht gnadenlos von der Polizei gejagt. Achja. Robert ist ein Autoreifen.

Schon ausgestiegen? Wenn nicht, möchte ich euch mit bestem Gewissen, leuchtenden Augen und einem fetten Grinsen auf den Lippen einen meiner absoluten Lieblingsfilme ans Herz legen. Regie führte ein Musikproduzent, gedreht wurde auf einer Spiegelreflexkamera. Und heraus kam ein ebenso blödes wie intelligentes Meisterwerk, dass neben der herrlich schrägen Haupthandlung auf einer Metaebene gleich mal über das Medium Kino selbst reflektiert. Allein der Anfang, welchen ihr weiter unten anstelle des Trailers sehen könnt, ist eines der coolsten Filmintros aller Zeiten. Und als Pantomime weiß ich, wie schwer es ist, einem toten Gegenstand wie einem Reifen Leben und sogar Charakter einzuverleiben. Das ist große Kunst und in Rubber (Amazon: DVD / Blu-ray) ganz und gar gelungen. Gleichzeitig ist der Film eine Galleonsfigur für unabhängiges Kino. Keine Idee scheint zu schräg, solange man daran glaubt. Für die Umsetzung braucht es heutzutage keine teure Technik mehr, wie Rubber von Anfang bis Ende in schönsten Bildern beweißt. Ein trashiger Bastard, den ich mir in den nächsten Jahren noch einige Male ansehen werde. Ein kreativer Mittelfinger an die seelenlose Fließband-Industrie. Und damit ihr es euch nochmal auf der Zunge zergehen lasst: Hauptdarsteller ist ein Reifen. And the Oscar for best actor in a leading role goes to…

Intro:


So, nach längerer Schreibpause – ich könnte es auf das Fehlen erwähnenswerter Filme schieben – musste ich nach dem Erlebnis des obigen Kinotipps einfach wieder ein 3VIEW in die Welt setzen. Dennoch möchte ich von nun an keine Regelmäßigkeit mehr versprechen. Ein 3VIEW kommt dann, wenn die Komponenten *toller Film erscheint*, *ich hab selbigen gesehen* und *ich möchte unbedingt darüber schreiben* zusammenkommen. Aber schaut einfach öfters hier vorbei. Ich freue mich darauf, euch weiterhin persönliche Highlights dieser so verdammt tollen Kunstform nahezubringen. Bis ganz, ganz bald. Danke für die Aufmerksamkeit, euer 3VIEWer Rocco.

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2 Replies to 3VIEW – die drei Filmtipps der Woche
[ Geständnisse ∙ 127 Hours ∙ Rubber ]

  1. Schön, dass Du wieder da bist liebes 3VIEW. 127 Hours finde ich auch sehr packend. Rubber ist mit Sicherheit etwas für die Freunde des ausgefallenen Geschmacks.
    Wirklich gespannt bin ich auf „Geständnisse“.

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  1. Besucherzahlen und Blogeinnahmen im Juli 2011 > Kunst und so.

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