Erst Aufmerksamkeit bekommen, dann spielen:

Wie man sofort eine Bühnensituation etabliert


Kürzlich spielte ich in einem Club und die Show war ein Desaster. Nicht weil das Kostüm falsch saß oder die Choreographie nicht stimmte. Auch der Alkoholpegel der jugendlichen Gäste traf keine Schuld. Die Etablierung der Auftrittssituation fehlte. Es fehlte der Platz, und die Anmoderation. Das Licht war unfokussiert und hat geflackert wie in einem Club üblich. Keine gute Vorraussetzung für eine Show.

Das man eine Bühnensituation etablieren muss, habe ich bei meinem ersten Straßenfestival gelernt. Die bittere Erfahrung, dass fast niemand Deine Show interessiert oder überhaupt wahrnimmt, musste ich noch einmal in einem Club machen. Und das obwohl er bis auf den letzten Platz gefüllt war.

Was ist eine Bühnensituation?

Auf dem Straßenfestival war der Spielort ,Straße‘ absolut neu. Ich war Theatersituationen gewöhnt. Im Theater sitzen die Gäste auf ihren Plätzen und erwarten das Stück. Ideale Bedingungen. Auf der Straße wartet niemand. Damals haben wir einfach losgelegt und die Show gespielt. Wenige Leute blieben stehen. Was war passiert? Die Theatersituation ist auf der Straße nicht gegeben.

Unter einer Bühnensituation versteht man, dass Zuschauer anwesend sind und auf die Bühne schauen. Verpasst man es diese Situation zu etablieren, fällt die beste Show ins Wasser. Überall.

Bühnensituationen erschaffen

Die Lösung liegt auf der Hand. Vor jeder Show muss man eine Bühnenstituation erschaffen. Was in traditionellen Spielstätten naturgegeben ist, muss an anderen Orten aufgebaut oder vorbereitet werden.

Auf der Straße muss man Zuschauer finden und sie zum Anhalten bewegen bevor der Kern der Show beginnt. Sie müssen sich positionieren und den Ort des Geschehens einschätzen können. Folgende Punkte sind für den Aufbau einer solchen Situation essenziell:

Auftrittssituation klarstellen

Die Zuschauer müssen mitbekommen, dass gleich gespielt wird. Das passiert durch eine Anmoderation oder dass man eine Bühnensituation vorbereitet.

Bühne etablieren

Der Platz an dem die Show stattfindet ist die Bühne. Ideal ist ein erhöhter Punkt oder ein Platz, der für den Großteil der Gäste gut einzusehen ist.

Der besagte Club war so voll, dass die Security zu tun hatte, genug Platz zu schaffen. Dennoch muss man dem Druck der Situation widerstehen und erst beginnen, wenn ausreichend Platz vorhanden ist.

Licht

Ist der Raum dunkel muss die Bühne beleuchtet oder zumindest heller sein als der Rest des Raumes. Der Fokus und die Aufmerksamkeit muss sich auf die Bühne konzentrieren.

Gäste platzieren

Sind keine Gäste da, muss man sich welche organisieren. Auf der Straße ist das am schwierigsten. Das Gesetzt der sozialen Bewährtheit (Social Proof) besagt, dass Menschen, die sich in sozialen Situationen unsicher sind, das selbe machen, wie die Menschen um sie herum. Schafft man es, dass Gäste zuschauen, werden weitere folgen. Sie wollen wissen, warum da so viele Leute stehen. Diese Dynmanik ist nicht nur bei Straßenshows zu beobachten.

Hat man Gäste, müssen diese organisiert werden. So viele Menschen wie Möglich sollen Sicht zur Bühne haben. Das Bedeutet, dass die ersten Reihen gegebenenfalls auf der Erde sitzen müssen. Die nächsten Reihen sitzen auf Bänken. Hinten stehen die Gäste. Die aller hintersten Reihen stehen auf einer Erhöhung.

Tritt man auf einer Veranstaltung mit unruhiger Situation auf z.B. einer WG Party, empfiehlt es sich, eine Ankündigung der Vorstellung zu machen. Wer zuschauen möchte ist in 10 Minuten im Zimmer XY. Meistens sind dann alle dabei. Wer nicht möchte, muss nicht teilnehmen. Hier sollten die Gäste so platziert werden, dass niemand durch die Bühne läuft.

Ton, Musik und Stille

Die „Normalsituation“ am Auftrittsort muss unterbrochen werden. Das richtet den Fokus auf die nun folgende Show. Befinden wir uns in einem Club mit lauter Musik, ist es gut, die Musik kurz zu unterbrechen bevor die Show beginnt.

In einer stillen Situation ist die Aufmerksamkeit meist schon da. Eine Anmoderation oder ein Intro lenkt die sie auf die Bühne.
In unruhigen Partysituationen muss die Anmoderation oder das Intro-Lied lauter sein als die sprechende Gäste.

Anfang und Ende definieren

Nach der Unterbrechung durch Stille, Musik oder Anmoderation beginnt die Show. Die Unterbrechung bringt die Aufmerksamkeit. Nach der Show sollte wieder kurz Stille eintreten und eine Abmoderation erfolgen. Alles dient nur einem Zweck: Das Publikum muss unmissverständlich wissen wann die Show beginnt und wann sie zu Ende ist. Der Schlussapplaus zeigt, wenn die Gäste es mitbekommen haben, dass die Show vorbei ist. Ich hatte Shows in Clubs bei denen der DJ sofort nach der Show ohne Abmoderation in ein anders Lied übergegangen ist. Der Schlussapplaus viel aus, weil die Gäste nicht mitbekommen haben, dass die Show zu Ende ist. Die obligatorische Verbeugung hat nicht ausgereicht.

Aufmerksamkeit bekommen, dann spielen

Alle beschriebenen Techniken dienen dazu, Aufmerksamkeit zu bekommen damit die Show starten kann. Beginnt die Show erst, wenn Ihr die Aufmerksamkeit Eures Publikums habt. Auf der Straße ist das schwer. Erfahrene Straßenkünstler haben ein langes Intro. Sie bauen z.B. ihre großen Requisiten auf, sind laut oder sprechen Leute an. Klar, irgendwann muss man beginnen aber bitte mit einem Publikum.

Wenn‘s nicht klappt seid Ihr verantwortlich

Als Künstler seid ihr nicht nur dafür verantwortlich, dass Eure Show technisch ordentlich gespielt wird. Ihr seid auch dafür verantwortlich, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Fehler passieren. Der Tonmann kann seinen Einsatz verpennen oder die Technik gibt den Geist auf. Alles was in Eurer Macht steht, solltet Ihr auch beeinflussen. Es reicht oft nicht dem Lichttechniken zu erklären, was ihr haben wollt. Lasst es Euch zeigen, wie es aussieht und gebt Euer OK. Wenn es die Umstände erlauben, macht einen Durchlaufprobe. 80 % aller Fehler sind auf schlechte Vorbereitung zurückzuführen. Checkt alles, was für Euren Auftritt wichtig ist. Es geht um Eure Show und das Publikum sagt hinterher, dass die Show schlecht war nicht der Lichtmann.

Wenn Ihr an alles gedacht habt, steht einer erfolgreichen Show nichts mehr im Weg. Ich wünsche uns allen viel Freude beim Performen.

Ihr seid dran

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Bild: andrewmalone

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7 Replies to Erst Aufmerksamkeit bekommen, dann spielen:

Wie man sofort eine Bühnensituation etabliert

  1. Dennis sagt:

    Hi Stefan,

    habe deine Headline zufällig in einm Blogverzeichnis entdeckt und musste es unbedingt anklicken. :D
    Sehr interessanter Post. Das sind so Dinge die beim Lesen selbstverständlich klingen, aber in der Praxis vielleicht gerade deshalb gerne mal untergehen. Ich selbst habe keine Auftritte vor Publikum, fand den Artikel aber trotzdem sehr lesenswert und inspirierend geschrieben!

    Grüße
    Dennis

  2. Vielen Dank. In der Tat sind die Dinge offensichtlich. Wie alle Basics muss man sich von Zeit zu Zeit wieder daran erninnern und danach handeln.

  3. Quardian sagt:

    Es klingt alles selbstverständlich. Allerdings auch nach über 600 Veranstaltungen kommt immer wieder ob man will oder nicht Unvorhergesehenes und hier heißt es Nerven bewahren. Cool bleiben, wenn es nicht geht zumindest cool wirken.

    Wenn z.B. beim Aufbau der Tonanlage was schief geht. Oder obwohl man rechtzeitig wegfährt irgendein Stau oder eine Umleitung einen so oft im Kreis schickt, das man 5 Minuten erst vor der Veranstaltung da ist . Oder von der Vortruppe ist die ganze Bühne noch mit Müll belegt. Immer fröhlich sein, sich nichts anmerken lassen und sein Ding durchziehen.

    Hier ist der Profi der wirklichdas Geschäft versteht und weiß was alles wichtig ist im Vorteil. Deshalb schaue ich mir jeden Veranstaltungsort im Vorfeld in Ruhe an. Meine wichtigste Frage ist immer, wo ist der Sicherungskasten, oft werde ich erstaunt angesehen, aber wenn der Strom wirklich nicht mehr da ist und keiner weiß, wo da ist oder niemand hat einen Schlüssel, wie spielt man dann für 300 oder mehr Leute.

    Nicht umsonst heißt es 1 Prozent Praxis ist oft effektiver als 99 Prozent Theorie.

    Practice makes perfect. There is no businness like show-business!

  4. Kann ich so bestätigen.

  5. Ja, ausser man spielt verstecktes Theater…
    aber sonst ist klar, wenn keiner zuguckt, ist auch keine Show gewesen, wie zu Hause eben.

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