Dr.Nojoke: „Ohne Netzwerke bist Du hilflos verloren.“

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Egal ob bei der Netaudio oder beim Grillen im berliner Mauerpark. Es scheint, dass der Musiker und Ausnahme-Produzent Dr.Nojoke überall gleichzeitig ist. Immer mit einem entspannten Lächeln auf den Lippen. Er kennt die berliner Szene der zeitgenössischen elektronischen Musik wie kein Zweiter. Auf Kunstundso spricht er über die Kraft des Netzwerkes.

Du bist in Berlins Clubszene eher unter dem Namen Dr. Nojoke bekannt. Wie kam es zu dem Namen und was sind Deine aktuellen Projekte?

Dr.Nojoke: Dr.Nojoke ist ein Wortspiel mit meinem Namen, mehr wird nicht verraten. Ich schreibe das in einem Wort, ich bin ja kein Doktor, sondern verstehe es als meinen Namen. Er ist weder deutsch, noch englisch oder japanisch, sondern dr.nojokisch. (lacht) Ich habe Anfang des Jahres ein Label namens UNOIKI gegründet. Dabei handelt es sich um ein Kollektiv sorgfältig ausgewählter Künstler. UNOIKI ist eine explorative Plattform für grenzüberschreitende Musik und Kunst. Wir haben gerade unsere erste CD mit dem Titel UNdefinition herausgebracht, ein Gesamtkunstwerk aus einem außergewöhnlichen Packaging, Design, einem philosphischen Essay und hervorragender Musik. Es sind noch ein paar Exemplare übrig.

Dann bin ich noch ein Teil von TRIoon, einem improvisativen, audiovisuellen Trio mit J-Lab (Musik) und Servando Barreiro (Visuals). Wir haben auf dem Netaudio Festival Berlin und gerade auf dem Visual Berlin Festival Shows unserer Berlin Wall of Sound performt. Disese Show haben wir zum 20-jährigen Mauerfall realisiert. Sie basiert auf Bildern und Feldaufnahmen, die wir letztes Jahr auf dem Berliner Mauerweg geschossen haben. Die Feldaufnahmen sind auf Radio Aporee gehostet. Schaut hier. Außerdem habe ich zusammen mit der Tänzerin Carolin Gödeke und dem Grafiker/VJ Vitamin K+ vom Tritamin Live Video Kollektiv eine audiovisuelle Tanzperformance erarbeitet. Sie heißt HORROR VACUI – Die Suche nach der Leere. Es geht im Großen und Ganzen um die Ambivalenz unserer Gefühle zu Leere.

Dann jamme ich ab und an mit ein paar Leuten, die ich auf dem Ableton Live Users Meeting kennengelernt habe, zusammen unter dem Namen Transit Audio. Mit der dänischen Tänzerin Christine Borch habe ich dieses Jahr auch eine Performance erarbeitet und aufgeführt. Diese heißt what my neck remembers, my neck will forget.

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Im kreativen Bereich und speziell in der elektronischen Musik funktioniert vieles auf Freundschafts-Basis. Wie wichtig ist der persönliche Kontakt zu den einzelnen „Entscheidern“ und anderen Künstlern?

Dr.Nojoke: Das ist absolut super wichtig. Ohne Netzwerk bist du hilflos verloren. Deshalb heißt es auch networken, was das Zeug hält. Wichtig ist dabei nicht nur der Geschmack, sondern eben auch, ob man den Anderen mag oder nicht. Dabei bilden sich ganz automatisch Interessengemeinschaften. Man hält dann quasi zusammen und pusht den Anderen auf Facebook, Myspace oder Soundcloud, aber man macht das natürlich gerne, wenn man das Zeug von dem Anderen mag.

Für UNOIKI habe ich zum Beispiel ganz konkret Künstler angefragt, die ich sehr schätze. Zu einigen hatte ich schon vorher Kontakt, zu den anderen war es auch nicht schwer Kontakt herzustellen, da man sich quasi über die Musik schon kannte und ein gewisser Vertrauensvorschuss dadurch schon existierte. Natürlich braucht man dazu eine klare Vision, aber man muss dann auch Ergebnisse liefern, das Netzwerk sowohl füttern als auch melken. Und natürlich konnte ich kein Geld bieten, unser aller Kapital ist unsere Kreativität und einzigartige Vision. Das wollte ich schnüren und zusammenbinden, um zusammen mehr Aufmerksamkeit für alle Künstler und deren Produkte zu erreichen.

Wir haben ja alle kaum ein andere Wahl. Jeder fummelt für sich alleine rum und jeder merkt wie schwer das ist, auch wenn man regelmäßig neue Tracks, Grafiken, Fotos oder Videos rausbringt. Ich würde nicht sagen, dass der Austausch auf Freundschaftsbasis beruht, sondern auf Wertschätzung, Respekt und Vertrauen (was natürlich zu Freundschaft gehört), aber auch auf Freiheit und Neugier. Aber die Motiviation dahinter ist doch klar die Promotion und die Erkenntnis, dass man zusammen mehr schaffen kann. Ich bekomme dabei nichts geschenkt, sondern jeder bringt sich nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten ein.

Wie kann man diese Beziehungen pflegen?

Dr.Nojoke: Einerseits natürlich indem man sich trifft, und zwar meistens spontan und ohne Verabredung in Clubs und auf Events. Zwischen den Events trifft man sich auf Facebook, Soundcloud, Myspace… bei wichtigen Sachen auch ma perl E-mail. Außerdem steht man per Newsletter auch im Austausch, spielt sich neue Sachen vor, teilt sie auf soundcloud oder gibt Kommentare als Gegenleistung ab. Dabei bilden sich dann Kooperationen oder Labels fragen an, ob man dies oder das releasen könnte. Und genau das will man ja auch, wenn man sich dort rumtreibt. Jeder verfolgt dabei natürlich seine eigenen Interessen. Ein Label will gute Musik, ein Producer will veröffentlichen, man erhofft sich bei einer Kooperationen spannende Dinge zu erleben oder seinen Horizont zu erweitern und etwas zu lernen beim Anderen.

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Welche Projekte hast Du realisiert, die ohne Deine persönlichen guten Kontakte, nicht zustande gekommen wären.

Dr.Nojoke: Da gibt es viel zu erzählen. Reingekommen in die Szene bin ich hauptsächlich durch Cotumo von Aka Aka und Ferri aka M_Ferri von Autist Records. Dadurch hat sich dann vieles von alleine ergeben. Autist wurde ja von vielen Leuten schnell wahrgenommen, dadurch habe ich Kontakte nach Italien und Brasilien bekommen. Auf dem Freerotation Festival in Wales, wo ich einer der Residents bin, lernt man auch immer eine Menge Leute kennen. Dort habe ich Künstler wie Jackmate, Tom Ellis, Shackleton, Sven Weisemann, Freund der Familie, Russ Gabriel usw. kennengelernt. Aber auch Nico, einen jungen chilenischen DJ, der später in Berlin gewohnt hat. Er hat mich an einen anderen chilenischen Freund vermittelt, der zu der Zeit in Johannesburg lebte. So bin ich nach Südafrika gekommen.

Jon aka J-Lab habe ich durch seine Netaudio Musik schätzen gelernt. Er hat dann mal auf demselben Fest gespielt wie ich und seitdem sind wir befreundet. Jetzt lebt er in Berlin und wir spielen zusammen in TRIoon. Dies ist ursprünglich ein kooperatives Projekt von Netaudio London und Berlin im Rahmen der Club Transmediale 2009.

Welchen Stellenwert räumst Du persönlichen Treffen und die Kommunikation über die sozialen Netzwerke ein?

Dr.Nojoke: Na, eine hohen natürlich. Es ist doch schön, wenn Dinge so laufen – unabhängig von den gierigen pop-kapitalistischen Strukturen. Ein Jeder kann sich dadurch selbst promoten, unabhängig und selbstbestimmt.

Wenn Freunde sich gegenseitig helfen, dann kommen viele Projekte mit einem kleinen Budget aus. Teilweise ist die Motivation bei den verschiedenen Teilnehmern auch unterschiedlich und die Unternehmungen geraten ins Stocken. Wie sollte man mit solchen Situationen umgehen?

Dr.Nojoke: Hm, schwierig so allgemein zu beantworten. Man sollte sich gegeneinander vertrauen können. Und man sollte gemeinsam darüber sprechen, wenn es unklar ist, was jeder möchte. Bei Engagements helfen eventuell Verträge. Gemeinsame Projekte können natürlich schnell sterben. Das ist jedenfalls meine Erfahrung, die ich mit Bands gesammelt habe. Seither begebe ich mich nur noch ungerne in Bandstrukturen. Zeitgebundene oder Aufgabengebundene Projekte finde ich attraktiver.

Vielen Dank.

Schaut Euch auf den Seite von Dr.Nojoke um:

drnojoke.de

myspace.com/drnojoke

facebook.com/dr.nojoke

Ihr findet einen Menge interessante Projekte und viel elektronische Musik. Aktuell ist das UNOIKI-Projekt „Silence“ zu dem jeder beitragen kann, indem er sich grahpisch, musikalisch oder in sonst irgendeiner Form mit dem Thema auseinander setzt.