7,99 Euro sind die neuen 0,79 Euro – Wie man als Entwickler seinen Preis für eine iPhone App bestimmen sollte


Preisgestaltung ist mehr eine Kunst als eine Wissenschaft. Als ich mich mit Tom Rothe bei unserer App „Micro Expression Training“ auf einen Preis festlegen musste, haben wir lange diskutiert, welcher Betrag der richtige ist. Der iPhone-App-Markt ist relativ jung, deshalb gibt es nur wenig Zahlen, an denen man sich orientieren kann.

Pauschal gibt es keine Antwort, welcher Preis der richtige für eine iPhone App aus Sicht des Developers ist. Laut 148app.biz rangieren Spiele im Durchschnitt bei 0,99 Dollar und andere Anwendungen bei 2,31 Dollar. Alle Apps zusammen liegen bei 2,10 Dollar.

Jede App ist verschieden und muss neu überdacht werden. Hier sind 4 Anhaltspunkte, die man bei seiner Preisgestaltung als Developer beachten sollte.

  • Wie viel verlangen andere Entwickler für eine ähnliche Anwendung? Schaut in den App Store und sucht nach Anwendungen, die das gleich können wie Eure App. Wie viel verlangen diese? -> Das bedeutet nicht, dass ihr den Preis unterbieten müsst.
  • Was ist an meiner App anders oder besonders? Hat Eure App ein besonderes Feature, einen anderen Ansatzpunkt oder besser Bedienung? Das Alleinstellungsmerkmal ist nicht für den Preis wichtig, sondern später auch für das Marketing.
  • Wie gut ist meine App im Gegensatz zu anderen (kostenlosen) Apps? Grafik, Präsentation, Action, Sound und Bedienbarkeit. Kommt meine App an das Level der anderen Programme heran?
  • Was hat Euch die Entwicklung gekostet? Wer viel Zeit und Geld in eine iPhone App gesteckt hat will seine Kosten decken. Mit einem Preis von 0,79 Euro benötigt man sehr viele Downloads seine Aufwand reinzubekommen.

Diese Fragen geben eine Orientierung, aber noch lange keine Antwort auf den richtigen Preis.

Nehmen wir an, unsere App verkauft sich 20 mal am Tag und hat in der Entwicklung 3000 Euro gekostet. Eine simple Rechnung macht klar, wie lange man benötigt um seine Kosten rein zu bekommen. 70% vom Umsatz verbleiben beim Entwickler.

App Preis Umsatz/Tag Rohertrag/Tag Break Even in benötigte Downloads
0,79 € 15,80 € 11,06 € 272 Tagen 5.425
1,59 € 31,80 € 22,26 € 135 Tagen 2.695
2,39 € 47,80 € 33,46 € 90 Tagen 1.793
3,99 € 79,80 € 55,86 € 54 Tagen 1.074
5,99 € 119,80 € 83,86 € 36 Tagen 715
6,99 € 139,80 € 97,86 € 31 Tagen 613
7,99 € 159,80 € 111,86 € 27 Tagen 536
8,99 € 179,80 € 125,86 € 24 Tagen 477
9,99 € 199,80 € 139,86 € 22 Tagen 429

An diesem Beispiel wird deutlich, wie hart es ist, als Entwickler bei einem Preis von 79 Cent zu überleben.

Durch das Preisdumping im Store ist es schwierig geworden einen höhere Preis als 4,99 Euro zu verlangen. Es geht sogar soweit, dass alles, was über 0,79 Euro verkauft wird, als Wucher abgestempelt wird. Es ist fraglich, ob man den Kunden fragen sollte, was er bereit ist für eine Anwendung auszugeben. Jeder möchte so wenig wie möglich bezahlen und das ist auch ok. Es liegt am Entwickler den Preis zu fordern, mit dem er gut leben kann.

Produkte nur über den Preis zu verkaufen ist der sicherste Weg Bankrott zu gehen.

Davon hat auch der Kunde nichts, weil es für sein Programm keinen Support und Weiterentwicklung gibt.

Die Lösung: 7,99 Euro sind die neuen 0,79 Euro

Wann gab es schon einmal die Zeit in der Software unter einem Euro gekostet hat? Wir reden hier von 79 Cent. In Foren wird gern das Beispiel vom Kaffee benutzt. Der kostet im Café ab 2 Euro aufwärts. Da wird sich auch nicht beschwert. Nehmt einen angemssenen Preis. Der richtet sich nicht nur nach dem Marktumfeld sondern auch danach, womit und wovon Ihr leben könnt. Wenn 7,99 Euro für Eure App nötig sind, dann ist das so. Wenn sie 14,99 Euro kostet, dann ist das auch ok. Es gibt 2377 iPhone Programme für 29,99 Dollar, 221 für 99,99 Dollar und 25 die 999,99 Dollar kosten. Wenn ihr den Nutzen der App vermitteln könnt, werden die Kunden den Preis zahlen. Nutzer wollen in erster Linie gute Programme.

Andy Finnell hat mich mit einem seinem Artikel zu diesem Post inspiriert. Er hat 4 Mhyten aufgeschrieben, die bei der Preisgestaltung umgehen:

Mythos 1: Niemand findet meine App

Apple bewirbt die beliebtesten Apps im Store. Klar dass die Chancen auf höhere Verkäufe steigt, wenn die eigenen App gelistet ist. Und klar, dass man dort nur reinkommt, wenn man viele Downloads hat was wiederum einfacher über einen niedrigen Preis funktioniert.

Der Appstore ist bei weitem nicht der einzige Weg, wie Nutzer zur App gelangen. Apps können wie jedes andere Produkt beworben werden. Man kann sich Traffik bei Facebook oder Google Adsense kaufen. Schwierig nur, wenn wenn bei einer 79 Cent App nur 55 Cent Übrig bleiben. Der Preis für eine Conversion muss darunter liegen um wirtschaftlich zu arbeiten. Bei höherpreisigen Apps fällt das nicht so sehr ins Gewicht.

Mythos 2: Die anderen verkaufen es für weniger

Nur weil jemand anderes einen Fehler macht, müsst Ihr ihn nicht auch machen. Wer nur über den Preis verkauft schießt sich schnell selber aus dem Rennen. Eure App sollte noch einen anderes Verkaufsargument haben als den Preis.

Es wird immer jemanden geben, der das selbe Produkt billiger und schlechter herstellen kann.

Den höheren Gewinn kann man die Verbesserung der App oder in neue Projekte stecken.

Mythos 3: Der Markt akzeptiert keinen anderen Preis

Es kostet Geld und Zeit eine Anwendung zu bauen. Wenn Kunden nicht bereit sind einen Preis zu zahlen von dem der Entwickler leben kann, dann braucht man gar nicht erst zu beginnen diese App zu bauen. So einfach ist das.

Der zweite Punkt ist: Woher soll man Wissen wie viel der Markt akzeptiert, wenn man es nicht ausprobiert. Viele Entwickler sind zu ängstlich einen anderen Preis als 79 Cent zu fordern. Wenn der App Store eine Option für 39 Cent hätte, dann würde sich die Mehrzahl der Apps mit Sicherheit auf diesem Niveau befinden.

Mythos 4: Ich kann den Gewinn über die Stückzahlen machen

Apple featured nur die 100 beliebtesten Apps. Wer in diese Charts hineinkommt kann eine Menge Geld verdienen. Wer es nicht schafft bleibt weitgehend unentdeckt. Man kann versuchen sich durch 79 Cent an die Spitze zu schießen. Die Statistik ist klar zu Eurem Nachteil. Für wen die Strategie aufgeht, Glückwunsch. Der Rest verscherbelt einfach seine App.

Für unsere App „Micro Expression Training“ wird es bald ein Update geben. Infolgedessen werden wir testen, wie sich die Preiselastiziät für unsere App auf die Downloads auswirkt.

Welche Strategie für den App Store haltet ihr für sinnvoll? Hinterlasst ein Kommentar.

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6 Replies to 7,99 Euro sind die neuen 0,79 Euro – Wie man als Entwickler seinen Preis für eine iPhone App bestimmen sollte

  1. Das Hauptproblem bei Apps ist, dass sich in den Verkäufen eine extreme Pareto-Verteilung widerspiegelt. Klartext: Einige Apps rotieren im Download (und Verkauf!) wie bescheuert, andere werden kaum beachtet und gefunden.
    Große Softwarehäuser haben oft Dutzende gut laufender Apps im Programm. Sind diese jedoch schon etwas älter, und werden kaum noch verkauft, so ist der Markt der primären Zielgruppe gesättigt. Hier kann es sinnvoll sein, eine absolute Premium-App auch mal für 0,79 Euro anzubieten um auch den Rest an Ertrag abzuschöpfen. Siehe dazu Skimming-Strategien, sowie kurzfristige Deckungsbeitragsberechnung. Das funktioniert natürlich nur bei Apps, die den Massenmarkt bedienen, und nicht zu spezialisiert sind. Meine teuersten Apps waren z.B. bisher „Shuttersnitch“ für 12,99 Euro um Bilder komfortabel direkt von einer DSLR-Kamera mit EYE-FI-Karte zu empfangen, sowie ein medizinisches Lexikon für 15,99 Euro. Beides also eher Nischenprodukte.

    Dadurch wiederum hat sich auch das Verbraucherverhalten geändert. Premium-Apps gibt es also auch für 0,79 Euro. „Wer mehr zahlt ist selbst schuld.“ denkt der Zeitgeist.

    Apps für 0,79 Euro habe ich dagegen schon eine Menge gekauft – und oft auch schon wieder herunter geschmissen. Genau darum geht es: Gibt es keine Test-Version von einer vielversprechenden App mit günstigem Preis, dann ist die Kaufschwelle niedrig. Ist die App nicht so vielversprechend, steigt die Kaufschwelle.

    Deine App über Micro-Expressions finde ich interessant – aber nicht vielversprechend. Für 0,79 Euro hätte ich sie jedoch gekauft! Allerdings bin ich nur über deinen Blog darauf aufmerksam geworden. Für 3,99 Euro jedoch finde ich wird mit nur 7 (!!!) Emotionen in 15 verschiedenen Gesichtern definitiv viiiiel zu wenig geboten. 15 verschiedene Emotionen in 7 Gesichtern wäre schon interessanter. 50 Emotionen in 3 verschiedenen, markanten, typvollen Gesichtern wären noch besser. Denn mich interessieren an diesem Thema die Micro-Expressions. Nicht wie sie in 1000 verschiedenen Gesichtern aussehen. Samy Molcho, als Meister der Mimik und Gestik, bringt in seinen Bestsellern auch nur ein Beispiel für einen Ausdruck – und das reicht, weil der aussagefähig ist. Ich muss nicht jedesmal sehen, dass ein bestimmtes Blinzeln in 15 Gesichtern immer gleich aussieht (aber sicherlich anders wirkt). Da reicht eine einmalige Klarstellung: „So sieht eine Micro-Expression aus, und natürlich variert dies individuell.“.

    Natürlich kann ich es nicht abstreiten, dass du 3.000,- Euro Entwicklungskosten für diese App hattest. Aber das fände ich persönlich etwas hoch angesetzt – vielleicht auch verursacht durch die 15 Models? Hier hätten nur 2-3 Models, dafür aber nicht nur 7x sondern 50x fotografiert vielleicht besser geholfen – effizienter wäre es allemal gewesen. Ich persönlich hätte nicht mehr als maximal 500,- Euro als Entwicklungskosten veranschlagt, wobei ich die Fotos selbst gemacht hätte (Besonderheit: Amateurfotograf, Fotostudio vorhanden) und die Programmierung hätte einkaufen müssen.

    Ich persönlich würde dir einen Preis von 0,79 Euro und mehr Promotion empfehlen. Vielleicht auch, soweit zulässig eine Verschlagwortung mit „Lie to me“ und häufig in dieser Serie vorkommenden „Fachwörtern“.

    LG Mario

  2. Hallo Mario,
    vielen Dank für Dein Kommentar. Ich habe gehofft eine Antort von jemanden zu bekommen der die Sache aus BWL sich sieht. Die Skimming Strategie ist mit Sicherheit eine Komponente, die es zu beachten gibt.

    zur „Micro Expression App“: Es gibt nur 7 Grundemotionen: Wut, Angst, Freude, Trauer, Angekelt, Überascht und Verachtung. Sinnvoll ist es dies bei anderen Menschen zu erkenne. Das geht nur durch Üben an verschiedenen Menschen.

    Für die App hatte ich keine Entwicklungskosten von 3000 Euro. Das ist nur ein Bsp. um zu sehen, wie lange es benötigt, um diesen Betrag einzuspielen.

    liebe Grüße
    Stefan

  3. baryern sagt:

    Hallo Stefan,

    ich kürze meinen Kommentar ein wenig ab, da ich gerade einen weitaus umfassenderen Beitrag getippt hatte, als mein MacBook meinte, dass der Akku leer gegangen wäre. Na ja. Da war dann auch der Text weg.^^

    ich bin der Meinung, dass eine App mit 0,79€ Chancen hat ein Verkaufsschlager zu werden. Der maximale Preis (den der Großteil der User bereit ist zu zahlen) liegt bei 2,39€. Das ist eine psychologische Grenze, die zwar nicht selten, aber ungern überschritten wird.

    Schnappt man sich dann noch Bekannte, wenn möglich vernetzte Menschen, hat man die Möglichkeit ein wenig kostenlose Werbung zu bekommen. Dann noch einen Facebook-Account und womöglich ein paar Screenshots auf Twitter mit dem Namen der Applikation und man hat schon relativ viel getan.

    Ein Marketing-Gag wäre die App für die von dir angesprochenen 999.99€ anzubieten. So würde man in den (dann) 26 Apps umfassenden (kleinen) Kreis aufgenommen werden, dem mit Sicherheit von einigen Menschen große Aufmerksamkeit gewidmet wird. Sollte man dann 5 Apps verkauft bekommen, würde man in deinem Beispiel den BEP schon erreicht haben. Andererseits könnte man mit einer Preissenkung, die schon für 1.000€ angebotene App für 0,79€ verkaufen. So hätte man die Aufmerksamkeit und Kaufkraft einiger Leute, die sowieso schon neugierig sein könnten, geweckt.

    LG,

    Lou

  4. Hej Lou,

    Danke für Deinen Beitrag. Der Marketing Gag ist eine gute Idee. Eine so große Preisänderung macht auf alle Fälle Furore. Seriöses Marketing für eine App zu machen ist in der Tat schwierig und kostspielig gerade wenn der Preis so niedrig ist. Schaltet man Google Adds oder Werbung bei Facebook beibt nicht viel Hängen oder die Sache wird ein Minusgeschäft.

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