Bezahle mich! – Warum Freiberufler nicht umsonst arbeiten sollten

Bitte hier bezahlen. Foto: stevendepolo

Bitte hier bezahlen. Foto: stevendepolo

Es ist ein Thema, das immer wieder heiß diskutiert wird: Soll man auch mal Sachen kostenlos machen, um an Folgeaufträge zu gelangen oder um die „Referenz“ zu bekommen? Kurze Antwort: NEIN!
In diesem Video findet Harlan Ellison, der unter anderen Outer-Limits- und Star-Trek-Episoden geschrieben hat, harte und wahre Worte für Auftraggeber, die alles umsonst haben möchten.

Leistung gegen Lohn

Das Prinzip ist so alt wie die Menschheit selbst. Wer etwas leistet, bekommt seinen Lohn. Vor 20.000 Jahren war das ein Stück vom Mammut, das man mit der Horde zusammen erlegt hat. In der heutigen Zeit bekommt man eine Überweisung, wenn ein Job erledigt ist. Jeder Fliesenleger, Arzt oder Bäcker bekommt seinen Lohn. Warum sollen Freiberufler Dinge kostenlos abgeben?

Weil eine Homepage, ein Video, Texte oder Fotos ja kein „richtiges Produkt“ sind? Weil Freiberufler das ja auch in ihrer Freizeit machen und man für sein Hobby doch kein Geld verlangt? Verdammt noch mal, nein! Es ist eine Leistung, die viel Zeit und lang erarbeitete Fähigkeiten beansprucht.

Folgeaufträge

Folgeaufträge sind ein beliebtes Argument, um Selbstständige zum kostenfreien Arbeiten zu ködern. „Wir schauen uns das erstmal an. Wenn uns gefällt, was wir sehen, dann buchen wir in Zukunft bei Ihnen.“ Hmm, schaut euch doch einfach meine bisherigen Arbeiten an und kauft gleich bei mir! Jeder Freiberufler hat Referenzen, die besichtigt werden können. Man geht auch nicht zum Bäcker, um ein Brot umsonst zu bekommen, und wenn es schmeckt, dann kauft man in Zukunft.

„Was nichts kostet, ist nichts wert.“

Obwohl es natürlich passieren kann, dass ein Auftraggeber später einen bezahlten Job vergibt. Zu welchen Bedingungen wird dieser ausgehandelt? Wer einmal etwas umsonst bekommen hat, ist schwer davon zu überzeugen, die Geldbörse weit zu öffnen. Der Selbstständige hat schon signalisiert, dass er entweder total verzweifelt ist, einen bezahlten Job zu bekommen, oder dass ihm seine Zeit nicht viel wert ist. Was nichts kostet, ist nichts wert! Diese geringe Wertschätzung wird sich auf die Folgeaufträge übertragen.

Referenzen und Aufmerksamkeit

 

Klar, eine Liste mit großen Namen, für die man schon gearbeitet hat, schindet Eindruck. Zum Teil sind diese Listen teuer bezahlt mit Selbstausbeutung und einem „Gott vergelt‘s“ vom Auftraggeber. Wer Aufträge für umsonst annimmt, sollte neben den echten Referenzen lieber eine „Meine Spende ging an folgende Firmen“-Liste aufmachen.

Die Aufmerksamkeitsspanne von Menschen ist sehr gering. Es gibt kaum Folgeaufträge und schon gar nicht so große, dass man damit die kostenfreie Arbeit mitfinanzieren könnte! Wer gewohnt ist, nichts zu bezahlen, sucht sich beim nächsten Auftrag eine neue Arbeitskraft.

Lebenslanges Praktikum?

Wir kennen alle die Geschichte von gut ausgebildeten jungen Menschen, die von Praktikum zu Praktikum hangeln, mit einer möglichen Festanstellung geködert werden und ihre Arbeitskraft verschenken. Deswegen gilt mein Aufruf gerade Einsteigern und Semiprofessionellen: Lasst Euch die Mühe bezahlen. Kunden sind es mittlerweile gewohnt, alles umsonst zu bekommen. Langfristig hat niemand etwas davon. Freiberufler können von ihrer Arbeit kaum leben und hetzten von Auftrag zu Auftrag. Kunden bekommen Qualität der zweiten Wahl, weil die Zeit nicht reicht, 1A-Produktionen hinzulegen. Auch wenn Beginner ihre Dienste für einen Schleuderpreis verkaufen oder gar umsonst anbieten – sie werden alle lernen, dass sie sich damit das eigene Grab schaufeln. Es ist oft besser keinen Deal abzuschließen als einen schlechten.

Freiberufler müssen sich und ihrer Arbeit den nötigen Wert beimessen! Erst dann werden sie dementsprechend behandelt. Mehr Selbstbewusstsein, Freunde!

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83 Replies to Bezahle mich! – Warum Freiberufler nicht umsonst arbeiten sollten

  1. Cartsten hat recht. Die sache mit dem Book: Es ist nie fertig sondern entwickelt sich immer weiter. Es muss gut genug sein, um den nächsten Auftrag zu bekommen. Den Auftrag kannst Du dann wiederum in Dein Book aufnehmen. Eine bezahlte Referenz ist auch psychologisch wertvoller.

  2. Sandra sagt:

    Wir bilden Naturerlebnis-PädagogInnen aus und predigen ihnen in jedem Seminar, dass sie als FreiberuflerInnen ordentliche Preise nehmen sollen. Das fällt vielen schwer, weil Pädagogik (noch dazu „Spielen im Wald“) in der Gesellschaft eher gering geschätzt und daher auch gern schlecht bezahlt wird. Noch dazu tummeln sich in unserer Branche viele Gutmenschen und Ehrenamtler, die es geradezu anstößig finden, für ihre Arbeit einen realen Lohn zu fordern. Als Weiterbildungsinstitut haben wir es trotzdem gemacht und 2008 unsere Preise nahezu verdoppelt. Ratet, was danach passiert ist! Wir haben mehr Kunden als je zuvor! :-)

  3. Cool, das ist ein Kommentar auf das ich gewartet haben. Schön, dass sich diese Beharrlichkeit ausgezahlt hat.

  4. Nabil sagt:

    Danke! Genau über dieses Thema hatten wir als Klasse in der Berufsschule (Mediengestalter) diskutiert!

  5. Absolut korrekt. Besser hätte ich es nicht selbst schreiben können.
    In BWL lernt man auch, die ABC-Analyse, welche eine Form des Pareto-Prinzips ist, das auch Timothy Ferris in seinem Buch „Die vier Stunden Woche“ aufgegriffen hat.

    90% der Kosten werden von Kunden verusacht, die nur 10% Gewinn machen.
    Dann gibt es noch die problemlosen Kunden, die nur 10% Kosten verursachen, aber für 90% der Gewinne sorgen. Schmeisst die anderen aus euren Telefonen! Und wer es gratis will, dem laßt eine Visitenkarte da, dreht euch um und sagt im Gehen: „Guten Tag. Meine Preise stehen auf meiner Homepage.“

  6. Das Pareto Prinzip ist sehr interessant. Es ist schwer, das konsequent anzuwenden, weil man oft nicht weiß, welcher Kunde zu welchem zu den 10% oder 90% gehört.

  7. leonie sagt:

    Ein wütender alter Mann.

  8. Petra Haag sagt:

    Ich komme aus der Übersetzerbranche und kann nur bestätigen, dass es nichts bringt, niedrige Preise anzusetzen/zu gewähren. Man setzt sich damit dem Kunden gegenüber in ein komplett falsches Licht und arbeitet letztendlich unrentabel.
    Danke für diese immer wieder nützlichen Anregungen!

  9. Das ist ein wirklich schöner Beitrag! Ich habe mir erlaubt, ihn in meinem blog zu verlinken. Ich finde es erstaunlich, wie doch alle Freiberufler dieses Problem zu haben scheinen!

    http://nebgen.blogspot.com/

  10. markus sagt:

    Etwas, das ich mal herausgearbeitet habe….betrifft die Künstler unter den Musikstudenten:

    An alle Künstler

    Qualität darf/muss entsprechend bezahlt werden.

    Wer Mucken/Muggen unter 75€ pro Stunde spielt, nimmt sich die finanzielle Zukunft!!!

    Musikunterricht sollte nicht länger der Hauptverdienst sein.

    Auch Konzerte sind Arbeit.

    Kunst zu machen und diese zu geben, ist ein Qualitätsprodukt.

    Allein mind. 4 Jahre Ausbildung in diesem Bereich sollten der Berechtigung genug sein!

    „50€ heute werden später immer noch 50€ sein.“
    Leider sieht die Inflation das anders. Bei ihr werden 50€ von heute schon nächstes Jahr weniger sein.

    Wenn wir heute unsere Qualität preislich erhöhen, haben wir die Chance auch morgen noch von ihr Leben zu können.

    Qualität darf entsprechend bezahlt werden.

    Wir dürfen auch endlich dazu stehen.

    Wenn wir − diejenigen, die hier studieren und lernen zu lehren − gemeinsam dazu stehen, wird sich etwas verändern.

    Wer, wenn nicht wir?

    Wenn nicht heute, wann dann?

    Künstler ist ein wichtiger Beruf! Er erhöht die Lebensqualität, bereichert die Gesellschaft mit neuen Ideen und beugt damit direkt jeglichem Stillstand vor.

    Also bekennt euch dazu und seid stolz darauf, durch euch selbst euer Bestes dazu geben zu können.

    Und euer Bestes wollt ihr nicht angemessen bezahlt haben?

  11. André sagt:

    Vielen Dank für diesen wunderbaren und längst überfälligen Beitrag.

  12. Barbara sagt:

    Super Artikel! Als Kunsthandwerkerin und Musikerin kenne ich die Situation nur zu gut. Auf Kunsthandwerkerin gibt es immer zwei Meinungslager, von vielen Kunden: „Wunderschön, aber ich kann mir das nicht leisten“ (und ich habe objektiv betrachtet, moderate, aber dennoch auch für mich faire Preise), und von Kollegen“ Das ist immer noch zu günstig“. So. Fazit ist, dass ich meine Preise so niedrig wie möglich halten muss, um etwas zu verkaufen (um die Standmiete und die Ausgaben hereinzubekommen, und natürlich auch einen Gewinn zu machen), und gleichzeitig so hoch wie möglich, um mich hinterher gut und fair behandelt zu fühlen. Das geht nicht mit allen Werken gleichermaßen, die kleineren haben im Verhältnis einen viel höheren Stundenlohn für mich, aber Leute kaufen sie dennoch mehr, weil sie faktisch weniger Geld kosten, und bei den größeren Werken mache ich Abstriche, die jedoch durch die kleineren Sachen mehr oder weniger aufgefangen werde. Handeln tue ich nicht.

    Als Musikerin ist es zwar toll bezahlt zu werden, jedoch muss man auch einmal sehen, dass die meisten gutbezahlten Musiker in Orchestern und Opernhäusern vom Staats finanziert werden druch die unglaublich hohe Subvention. Wenn ich als Eigenveranstalterin GEMA Gebühren, Saalmiete, Flügel, Einlasspersonal etc. selber zahle, müßte ich, um dann noch einen Gewinn zu machen, geschweige denn, dass für uns Musiker etwas abfällt, außer dass vielleicht die Kosten herinkommen, die Kartenpreise so hoch ansetzen, dass niemand kommen würde, denn an der Oper und in der Philharmonie bekommt man ja für das gleich Geld soviel „mehr“ geboten. Tja. Wenn ich dann aber noch (gottseidank nur von wenigen Einzelpersonen) zu hören bekomme, dass 12 Euro Eintritt zu hoch ist, werde ich richtig wütend. Engagiert zu werden ist natürlich einfacher, aber man muss wirklich bedenken, dass die meisten Veranstalter, die einen bezahlen (Kirche, öffentliche Veranstaltung einer staatslichen oder städtischen Organisation), dieses Geld aus Steuergeldern nehmen können.

    Ja, der Artikel gibt zu denken.

  13. Sabine sagt:

    Oh weh, da kann ich nicht mal mehr lachen… ganz umsonst arbeiten ist mir auch schon oft passiert; schlimmer ist aber dass man/ich als freie Zeitungs- und Textschreiberin auch nach Jahren und verbaler Anerkennung von Redakteuren und Lesern für sehr wenig arbeiten muß und es auch keinerlei Hoffnung gibt, je über einen Stundenlohn von 5 – 7 Euro hinauszukommen. Immer wieder begegnet mir Unverständnis von Menschen, die die Branche nicht kennen – wenn etwa eine Reitlehrerin 25 Euro für 30 Minuten für angemessen hält und ich ihr vorrechne, wie lange ich dafür arbeiten muß, glaubt sie mir nicht („Du schreibst doch für …“) – ja, genau.

    Forderungen stellen hat immer dazu geführt, dass ich zeitweilig gar keinen Auftrag mehr bekam und dann froh war, wieder für die schlechten Bedingungen arbeiten zu können. Unsereins ist ersetzbar, da hilft gekränkte Eitelkeit nicht weiter. Es gibt keine Druckmittel, und die Berufsverbände wollen auch erst mal Geld sehen. Im Grunde vermeide ich zumeist solche Diskussionen, da es nur deprimiert. Mit wenig auskommen ist also gefragt, und versuchen, Spaß am Job zu haben. Und hier kommen wir nun zu dem besprochenen Thema: Ja, wenn ich eine Sache (e. G. einen Künstler oder ein Off-Theater) sehr gut finde, dann biete ich Zeitungen auch mal an, umsonst darüber zu schreiben, um dieser Sache dienlich zu sein. Oft die einzige Möglichkeit, da was unter zu kriegen. So ist das. Was man da machen kann, ich weiß es nicht. Von Kollegen erfahre ich jedenfalls keine Solidarität, da ist nur Konkurrenzkampf, Ideenklau… Na, lassen wir es lieber….

  14. Ich kann dem Artikel vollends beipflichten.
    Auch Auftraggeber, die lediglich 0,008 – 0,01 Euro pro Wort zahlen, sollten unbedingt boykottiert werden.
    Rechnet man Arbeitszeit, Flatratekosten und Stromverbrauch, dann sind noch nicht mal die Kosten gedeckt.

  15. Jobber sagt:

    Die Anfragen (Schnorreranfragen) zu unbezahlten „Probearbeiten“ habe ich auch öfter, bei denen mir Folgeaufträge oder weitere Kunden in Aussicht gestellt werden. Ich frage dann zurück, warum das Geld beim Auftraggeber so knapp und die Firma erfolglos geführt wird. Dann schlage ich vor, man könne als Gegenleistung ja meinen Keller aufräumen. Ich habe einen großen Keller, in dem auch noch Zeug vom Vormieter steht. Das sind ca. 6 Stunden simple Arbeit als Gegenleistung zu 2 Stunden meiner anspruchsvollen Arbeit. Oder Fußboden verlegen. Das sind alles mögliche Gegenleistungen, wenn kein Geld für die Bezahlung da ist.

    Bei der Forderung nach unbezahlten „Probearbeiten“ heißt es oft: „Wir müssen ja abschätzen können, wie Sie arbeiten“. Stimmt eigentlich. Man muss sich ja absichern. Deshalb schlage ich eine „Probebezahlung“ vor, damit ich abschätzen kann, wie der Auftraggeber zahlt. Am Sinnvollsten ist es, die Probebezahlung zuerst zu machen, um zu prüfen, ob mir die Zahlungsweise gefällt. Danach kann ich dann eine Probearbeit liefern. So sind beide Seiten abgesichert.

  16. R. Ondone sagt:

    Das zweite Video („Webdesignkunden im täglichen Leben“) ist aus urheberrechtlichen nicht vefügbar. Jemand oder etwas namens tvrainru möchte für sein Video wohl doch lieber bezahlt werden… Witzig, oder?

  17. Irene sagt:

    Die Vorstellung, dass jemand eine Liste „für folgende Firmen habe ich für lau gearbeitet“ veröffentlicht, gefällt mir.

    „Blabla … können leider nichts bezahlen.“ – „Darf ich das dann wenigstens als Referenz angeben?“ – „Aber natürlich, gerne doch!“ – *done* – „So war das nicht gemeint!“

    Vom Gerichtsurteil dazu würden wir dann von Erwin Pelzig im Fernsehen erfahren, nehme ich an.

  18. Besten Dank für die Kommentare, das Video habe ich rausgenommen. Cheers.

  19. rioinspace sagt:

    @Sabine: Viele Autoren greifen ja auch zur Selbsthilfe und veranstalten Lesungen, um sich mit der neuen Währung „Aufmerksamkeit“ zu versorgen. Auch von DENEN ernte ich immer wieder Unverständnis, wenn ich „Für-Lau-Lesungen“ ablehne.
    @Jobber: Vielen Dank für die launigen Gegenfragen. Die werde ich gegen meine bislang eher kurzangebundenen Ablehnungssätze austauschen. So wird das sicherlich ein großer Spaß.
    @ALLE: „Was nichts kostet, ist nichts wert“, heißt es zwar abgedroschen, ändert aber nichts an der Aktualität. Laßt uns selbstbewußt werden! Wir stehen am Anfang der Nahrungskette. Ohne unsere Arbeit haben die anderen nichts zu beißen.

  20. Jan G sagt:

    Der Kommentar von Jobber ist zum Brüllen. Sehr gut getroffen!

  21. Sprecher sagt:

    Vielen Dank für den Beitrag. Sehr empfehlenswert.

  22. Lars Mielke sagt:

    In meiner Heimat gibt es ein Sprichtwort, das im übertragenen Sinne lautet:

    Wo ich mich anbiet, bin ich nix wert.

    Aber diese Geschichten kennen wir alle zur Genüge. Die besten „Bezahlmethoden“ hatte ich mal in einem Artikel zusammengefasst.
    http://lars-mielke.de/5044/top-antworten-bezahlung-webdesign/

  23. The Brain sagt:

    Das ist auch ein Phänomen der Digitalen Epoche. Umsonst oder für den Gegenwert einer Tüte Chips.
    Ich arbeite in einer Bildagentur ( Mikrostock ) die weltweit Fotos von armen Seelen verkauft. – „Lizenzfrei“ versteht sich. Ich sehe es also fast Täglich mit eigenen Augen.
    Was ist der Grund? Das könnten wir eventuell Psychologisch betrachten. Das „EGO“ wird gekitzelt um das „ARME ICH“ des jeweiligen Individiums in den Hintergund zu drücken.

    Beste Grüße

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